Andacht zum 50-jährigen Siedlerjubiläum Mühlenstraße Kirchherten

14.09.2002

Es gilt das gesprochene Wort

Predigttext: Mt. 7, 24-27: Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.

Liebe Gottesdienstgemeinde,

fünfzig Jahre evangelische Siedlung Mühlenstraße – so steht es im Gemeindebrief und das ist der Titel, unter dem der Heutige Nachmittag steht. 50 Jahre – ein halbes Jahrhundert. Einige wenige Menschen, die vor 50 Jahren hier Land erhielten, um ein Haus bauen zu können, leben noch unter uns. Längst haben ihre Kinder von damals selber Familien und erwachsene Kinder. Die dritte Generation ist dabei das gesellschaftliche Leben zu tragen und zu gestalten. Vieles hat sich verändert seid jener Anfangszeit, die Fotos in den Archiven geben ein beredtes Beispiel. Vor 50 Jahren – da gab es einen Pfarrer hier, der sich konfrontiert sah mit dem Flüchtlingselend der Familien, die nach dem Krieg in den Westen kamen, hunderte, ja tausende Menschen siedelten in den Orten der Kölner Bucht – auch hier in Kirchherten. Dann gab es hier einen Bauern, der kirchliches Ackerland bebaute und dem das Flüchtlingselend nicht gleichgültig war. Er hatte Land, das bebaut werden konnte. Es gab ein Presbyterium, das feststellte, dass die kleine Kirchhertener Gemeinde nicht länger 175 Gemeindeglieder hatte, sondern plötzlich 1000 Menschen mehr. Alle wollten leben, wohnen und arbeiten. Und es gab eine Verwaltung, eine Siedlergesellschaft und einen Stadtrat, die die Idee des Presbyteriums und des Pfarrers umsetzen halfen, das Ackerland in Bauland umzuwandeln. Viele Wege waren nötig und viele Verträge wurden unterzeichnet bis schließlich für einige wenigen Familien die Chance zum Neuanfang da war.

Aus den Erzählungen wissen wir, wie viel Anstrengung und Kraft von den künftigen Siedlern investiert wurde, um mit Schippe und Eimer das Land zu erschließen. Wir haben uns berichten lassen wie viel Zeit neben der Arbeit aufgewendet wurde, um der eigenen Familie einen Wohnraum zu schaffen. Dennoch wussten damals wohl alle, wie viel Glück und Fügung auch dazugehört hatte , diese Möglichkeit zu haben, Eigentum zu schaffen. Immerhin lebten in jenen Tagen viele Vertriebene und Flüchtlinge noch in behelfsmäßigen Unterkünften.. Beim Nachdenken über diesen Tag kam mir ein Psalm in den Sinn:

Ps. 127,1: „Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst“.
Es ist sicher dem Menschen bestimmt, diese Erde zu bebauen, sie zu bewirtschaften, es ist Sache des Menschen für eine Ordnung in der Gesellschaft zu sorgen und ein Staatswesen zu gründen. Es ist der Schöpfungsauftrag an den Menschen, die Welt zu beherrschen und seine Gaben zum Wohl anderer einzubringen. Salomo, der weise König Israels, wusste davon. Unter seiner Herrschaft lebte das Volk in Wohlstand. Und doch, das singt er in dem Psalm. Wichtiger noch als die eigene gute Arbeit und die eigene gewissenhafte Sorge um das Wohl der Menschheit ist, dass Gott dabei ist. Wenn Gott außen vor gelassen wird, wenn Gott keine Rolle bei den Menschen eingeräumt wird, so arbeiten sie umsonst. Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten vergebens die daran bauen. Nun steht das Wort Haus sicher nicht nur für das Häuserbauen. Salomo hatte begonnen, in Jerusalem einen Tempel errichten zu lassen. Damit veränderte er die religiösen Bräuche und Sitten des Volkes und er konzentrierte die Macht auf Jerusalem. Er veränderte also das ganze gesellschaftliche Gefüge, mit seinem Vorhaben griff er in den Alltag der Leute ein. Und Salomo wusste nur zu gut – wenn Gott das ganze Unterfangen missfällt, wird es schief gehen. Wenn wir Gott nicht in unserem Leben und Herrschen einen Platz einräumen, werden wir in der Katastrophe enden. Nicht anders , liebe Gemeinde, ist es ihrer Eltern- und Großelterngeneration ergangen, als sie hier vor 50 Jahren siedelten. Das Dorf veränderte sein Gesicht – die gesellschaftlichen Dorfstrukturen mussten sich auf die neue Situation einstellen. Das war von vielerlei menschlichen Problemen begleitet. Und so war es die christliche Gemeinde, die hier einen Weg zur Integration ebnete. Es waren Menschen, die wie Salomo bekannten: Gott muss in unserem gemeinsamen Leben die Verbindung sein, damit Integration und Neuanfang gelingen. Gott muss das Haus selber bauen, sonst ist unser tägliches Bemühen umsonst. So klar dieser Lebensentwurf für die erste Generation hier in Kirchherten nach dem Krieg war, so wenig scheint sie heute deutlich zu sein. Und dennoch gilt auch für heutiges leben und arbeiten in unserer Gesellschaft: Wenn Gott das Haus nicht baut, arbeiten vergebens, die daran bauen. Wir modernen Menschen laufen Gefahr, Gott in unserem Leben keinen Platz mehr zu gewähren. Zu umfangreich scheinen unsere Aufgaben , zu vielfältig die Weltanschauungen, nach denen wir leben, als dass Gott da noch einen Platz haben könnte. Das Leben ist heute geordneter und verläuft in gefügten sozial abgesicherten Bahnen – gerade für uns, die wir in dem Wirtschaftswunder der späten 50er und 60er Jahren groß geworden sind. Und da nimmt es nicht wunder, dass Kirche und Religion hinten angestellt werden. Doch wo die christlichen Tugenden nicht mehr gelten, wo der Nachbar nicht als Nächster erkannt wird, wo die chriostliche Gemeinde nicht mehr als Ort der Verbindung zwischen Menschen gelebt wird, werden Auflösungstendenzen in der Gesellschaft sichtbar. Zunächst mögen sie noch harmlos scheinen, doch die Folgen sind schnell sozialer Unfriede fehlende Solidarität mit den Schwachen. Während ihre Elterngeneration, gezeichnet von Krieg, Vertreibung und Flucht, im Glauben Halt fanden und gegenseitige Hilfe selbstverständlich war als Frucht aus diesem Glauben, da macht sich heute vielerorts eine Ellebogengesellschaft breit und die Sucht nach Anerkennung. Ausbeutung und Geringschätzung anderer Menschen , fremder und schwächerer sind die Folge. Deshalb kann der heutige Tag auch ein Zeichen der Solidarität sein. In den vergangenen Wochen haben wir erfahren, dass der Zusammenhalt der Menschen überlebensnotwendig ist, wenn Katastrophen die Menschheit heimsuchen. Und es sind immer wieder die Kirchen, die helfend sich an die Seite der Schwachen stellen. Es sind die Menschen, die aus ihrem Glauben heraus leben und arbeiten, helfen heilen. Das wo Gott das Haus mitbaut, da ist gut leben und wohnen, wo Gott im Leben eine Rolle spielt kann es gelingen. Amen.

Pfarrerin Jutta Grashof